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INTERVIEW Einmal im Jahr werden die beiden Verbrennungs- kessel des Müllheizkraftwerks in Coburg-Neuses für eine Inspektion abgeschaltet. Dann kann der mehrere Stockwerke hohe Koloss auf Schäden untersucht werden. Dazu steigen die Monteure über den schrägen Verbrennungsrost (Bild) in den Kessel ein und klettern über ein Baugerüst im Inneren nach oben. Oben: Die willkürlich anmutenden Bögen der Fernwärme-Rohrleitungen im Untergrund sind den Temperaturen geschuldet: Bei 110 Grad Celsius Wassertemperatur dehnen sich die Stahlrohre aus. Die rechtwinkligen Bögen reduzieren und gleichen diesen Effekt aus. EINE HEISSE SACHE FÜR COBURG Herr Reitgassl, Sie kennen sich im 40 Kilometer langen Coburger Fernwärmenetz bestens aus. Das kann man durchaus so sagen. Vor 30 Jahren habe ich eine Ausbildung als Betriebs- und Maschinenschlosser bei den Städtischen Werken gemacht. Anschließend bin ich zur Fernwärme gegangen, wo ich immer noch tätig bin. Das Leitungsnetz, die Hausanschlüsse und die Über- gabestationen in den Häusern sind mein Arbeitsgebiet. Wenn Sie schon solange dabei sind, hat es bestimmt schon einige aufregende und auch kuriose Sachen gegeben. Ganz klar. Manchmal erlebt man schon eigenartige Dinge, besonders in der Nacht während der Rufbereitschaft. Da gingen schon in der Netzwarte Anrufe ein, dass die Heizung nicht funktioniere, also irgendetwas an der Fernwärme kaputt sein müsse. Aber meine drei Kollegen und ich kennen die meisten Abnehmer. Da wissen wir sofort, ob jemand tatsächlich an der Fernwäme- versorgung angeschlossen ist, oder tatsächlich seine Gasheizung mit der Fernwärme verwechselt hat. Das passiert schon mal. Die Kunden sind über die ständige Rufbereitschaft froh, besonders wenn wir abends, nachts oder am Wochenende Störungen zügig beseitigen. In den letzten Jahren wurde die Fernwärmeversorgung in Coburg kontinuierlich ausgebaut. Gab es dabei beson- dere, nicht alltägliche Baustellen? Spektakulär war es, die Fernwärmeleitung vor sechs Jahren zu einer Maschinenbaufirma in Neuses zu verlegen. Denn da mussten wir mit den Rohren auf einmal unter der Stadtautobahn durch und auch noch die Sulz und die Lauter unterqueren. Das wurde damals mit einer Spül- bohrung gemacht und es war die größte Bohrung die- ser Art in Deutschland. Auf einer Länge von 240 Metern wurden die beiden 50 Zentimeter starken Rohrleitungen für den Vor- und Rücklauf auf diese Weise verlegt. Mitunter treten auch Lecks an den Rohrleitungen auf. Dann tritt Dampf an die Oberfläche. Wie aufwändig und schwierig ist es, die undichte Stelle einerseits zu finden, andererseits zu reparieren? Tatsächlich haben wir relativ wenig Schäden an den Leitungen der Fernwärme. So war es in diesem Jahr gerade ein Vorfall. Auch kommt es darauf an wie beim Verlegen der Rohre die Ausdehnung berechnet wurde. Wenn die Stahlrohre heiß werden, dehnen sie sich aus. Das können mehrere Zentimeter sein. Deshalb machen die Leitungen ab und zu für Laien unmotivierte „Doppelknicke ” , um dann weiter in der ursprünglichen Richtung zu verlaufen. Dann kann es also vorkommen, dass Teile des Fern- wärmenetzes für Reparaturarbeiten abgeschaltet werden müssen? Unterbrechen müssen wir die Fernwärmeversorgung in der Regel nur dann, wenn neue Anschlüsse installiert werden. Denn, wie gesagt, Schäden sind im Verteilnetz der SÜC sehr selten. Ungünstig sind Schäden, die während der kalten Jahreszeit auftreten. Dann herrscht ein Druck von sieben bar, im Sommer sind es nur sechs. Wenn das heiße Wasser unter Druck in der Leitung steht, dann kann natürlich daran nicht gearbeitet werden. Zuerst muss das Wasser aus dem Rohrstück entfernt werden. Auch bei unseren vorsorglichen Wartungsarbeiten kann es zu kurz- zeitigen Unterbrechungen kommen. Was macht man denn mit einigen Tausend Litern heißen Wassers? Es ist doch keine Zeit da, es erst abkühlen zu lassen. Dieses Wasser leiten wir in die Kanalisation ein. Aber gleichzeitig muss noch viel kaltes Wasser dazu gegeben werden. Denn das etwa 100 Grad heiße Wasser käme sonst noch viel zu warm in der Kläranlage an. Die Bakterien in der biologischen Reinigungsstufe vertragen maximal 30 Grad Celsius warmes Wasser. Ist es wärmer, sterben sie ab, deshalb müssen wir kühlen. Wartungs- und Erweiterungsbauarbeiten können geplant werden. Aber in einem solch großen und komplizierten System wie einer Fernwärmeversorgung gibt es be- stimmt auch völlig unerwartete und unvorhersehbare Ereignisse. Einmal hat die automatische Steuerung des Heizwerkes nach einem größeren Stromausfall versagt. Als mich die Nachricht nachts erreicht hat, hörte sich das erstmal nicht so schlimm an. Aber durch den massiven Strom- ausfall mussten die nötigen Schalter und Regler von Hand betätigt werden, und das in zwei Gebäuden. INTERVIEW MIT FRANK REITGASSL Seit mehr als einem halben Jahrhundert gibt es in Coburg eine Fernwärmeversorgung in der Innenstadt. Für die Wartungs- und Erweiterungsarbeiten gibt es Spezialisten, die auch rund um die Uhr und an jedem Tag des Jahres bereitstehen. Seit 30 Jahren ist Frank Reitgassl bei der SÜC in der Sparte Fernwärme tätig. Er ist ein versierter Kenner des komplexen Systems und der Übergabestationen bei den Fernwärme-Abnehmern. 9 8 AUSGABE 03 | 11.2016 INTERVIEW
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