suec-kundenmagazin-pol-06

PORTRAIT MENSCHEN MIT ENERGIE ERNST WEITL – DER „TURNVATER“ DES TV KETSCHENDORF Mindestens einmal im Monat trägt Ernst Weitl ein Häma- tom nach Hause. Mal ist es ein blauer Fleck an Händen, Armen oder Oberkörper, „aber auch ein klassisches ‚Veilchen‘ kommt immermal vor“. Nicht, dass der 80-Jährige sich gestoßen oder gar geprügelt hätte, vielmehr hat er – wie so oft in den vergangenen Jahrzehnten – die Mädchen und jungen Frauen der Turnerinnen-Leistungsriege des Turnvereins Ketschendorf (TVK) trainiert. „Da passt Eine nicht auf, oder ich stehe etwas zu nah’ dran, und schon ist es passiert!“ 1964 hat Ernst Weitl an der Turnschule in Frankfurt am Main den Übungsleiterschein abgelegt. Seit dieser Zeit unterweist er Kinder und Jugendliche am Stufenbarren und anderen Turngeräten. Dabei vernachlässigt „der Ernst“, wie er von seinen Turnerinnen gerufen wird und sich mitunter selbst nennt, die eigene Fitness keineswegs. Als Mensch voller Energie hat er zum runden Geburts- tag für jedes Lebensjahr einen Liegestütz „gepumpt“. Selbstverständlich am Stück, „obwohl es hart war“. Dreimal in der Woche sind „der Ernst“ und seine Frau Sylvia in der Turnhalle zu finden. Ohne Unterlass wandern die Augen hinter den Brillengläsern durch die Sporthalle. Nichts und niemand, keine Untätigkeit und keine Kleinigkeit beim Aufbau der Geräte entgeht dem konzentrierten Blick von Ernst Weitl. Kein noch so winziges Detail in den Übungen der Turnerinnen bleibt unbeachtet. Die Arme vor dem Körper verschränkt, lehnt er nahezu unbe- weglich am Stufenbarren und verfolgt Aufschwünge, Grätschen und Kopfhaltung. Dabei kann der Beobachter PORTRAIT Ernst Weitl trainiert seit den 60er-Jahren die Turner des TV Ketschendorf. Bei jeder Übung seiner Athletinnen ist er mit Leib und Seele und voller Energie dabei. „MENSCHEN KÖNNEN NUR DANN LEISTUNG BRINGEN, WENN SIE LUST ZUR LEISTUNG HABEN.“ unmittelbar aus den Gesichtszügen des Trainers auf Fehler und Nachlässigkeiten in der Haltung und Ausführung der Übungen rückschließen. Es scheint Weitl Unbehagen zu verursachen, wenn ein Rücken zu gerade ist, Beine nicht exakt geschlossen oder Füße angewinkelt sind. Mindestens ein Zeigefinger ist aber ständig in Aktion, deutet hierhin und dorthin, korrigiert oder gibt die Bewegungsrichtung vor. „Das gibt im Wettkampf immer Punktabzug“, deutet Ernst Weitl auf die Bilder auf dem Computerbildschirm, die während eines Trainings entstanden sind. „Hier müssten die Schultern einen Zentimeter weiter vorn sein für eine durchgängige Übung“, kann er sich ereifern. Einmal Trainer, immer Trainer. Wenn die Turnerinnen Fortschritte machen, die Übungen flüssiger, durchgängiger und exakter werden und schließ- lich am Ende gute Platzierungen bei den Wettkämpfen stehen – daraus zieht Ernst Weitl seit Jahrzehnten die Motivation. Und die Arbeit mit den jungen Leuten hält ihn auch selbst jung. Gütige Strenge lässt er walten, der Ernst. „Eine Weichboden-Matte dient in einer Turnhalle der sicheren Landung. Eine Couch hingegen ist Symbol für Ausruhen. Wer die Weichboden-Matte zur Couch degradiert, kommt im Geräteturnen nicht voran“, heißt es auf der Internetseite der Leistungsriege der Turnerinnen des TV Ketschendorf. Die Seite verantwortet Ernst Weitl und zitiert weiter Miriam Vogt, Ski-Weltmeisterin in der alpinen Kombination des Jahres 1993: „Menschen können nur dann Leistung bringen, wenn sie auch Lust zur Leistung haben.“ 17 16 AUSGABE 06 | 06.2018

RkJQdWJsaXNoZXIy MjE3Nzg=