suec-kundenmagazin-pluspol-ausgabe-08-2019

9 I m Dezember 1971 veröffentlichte das Bundesgesetzblatt eine modifizierte Arbeitsver- ordnung, sodass Frauen das Omnibussteuer nicht länger vorenthalten blieb. Bis dahin galt die Verordnung des „Dritten Reiches“, die Frauen das Steuern von Omnibussen ver- bot. Bei den SÜC-Verkehrsbetrieben sind fünf Frauen und 77 Männer am Lenkrad mit den Coburger Stadtbussen unterwegs. Eine von ihnen ist Dana Witt. Die Sonnebergerin chauf- fiert seit 2015 Linienbusse. Frau Witt, wie kamen Sie dazu, Busfahrerin zu werden? Das wollte ich schon zu Schulzeiten. Mein Vater war Busfahrer, der Onkel und auch mein Cousin. „Irgendwann möchte ich auch mal so ein Teil fahren“, dachte ich mir schon damals. Sie haben seit vielen Jahren den Pkw-Führerschein. Ist es schwieriger, mit ei- nem zwölf Meter langen Bus unterwegs zu sein als mit dem Auto? Überhaupt nicht. Busfahren ist viel einfacher. Man hat viel mehr Überblick, die Spiegel sind größer und ein Stadtbus hat gerade Flanken. Das Rückwärtseinpar- ken ist kein Problem. Da setzt du einmal an und schon steht der Bus in der Lücke. Mit meinem Auto geht das nicht so fix. Die Fahrerin oder der Fahrer eines Linienbusses ist „Mädchen für alles“: Fahrscheine verkaufen, Auskünfte geben, vergessene Sachen mög- lichst wiederbeschaffen, gegenüber allen Fahrgästen freundlich bleiben – und dabei immer den Bus sicher im Straßenverkehr bewegen und den Fahrplan einhalten. Jeder Tag ist anders und die Fahrgäste natürlich auch. Neulich stieg ein Fahrgast ein, der war sichtlich etwas angetrunken. Er setzte sich in die Reihe hinter dem Fahrersitz und öff- nete eine Flasche Bier. Ich bin erst weiter gefahren, als er die wieder eingepackt hat. Richtige Randale oder Sach- beschädigungen hatte ich zum Glück noch nie. Im Fall der Fälle werden über Funk die Zentrale und die Polizei gerufen. Natürlich gibt es auch Fahrgäste, die meinen, sie müssten unbedingt anbandeln – aber ich kann mich dem schon erwehren (lacht)! Es gibt bestimmt auch die alltäglichen Fehler und Missver- ständnisse, die vergessenen Sachen … So was passiert ständig. Die Leute sitzen im falschen Bus und wundern sich, dass sie ganz woanders hinfahren. Müt- zen, Handschuhe, Schals und Schirme werden ganz gern liegengelassen. Und dann natürlich Handys. Ein älterer Herr kam einmal nach vorne, er hätte mal eine Frage: „Haben Sie mein Gebiss gefunden? Das habe ich hier abgelegt.“ Leider konnte ich ihm nicht hel- fen. Einmal stieg eine Frau in den Bus, die wollte eine Einzel- fahrt für 1,70 Euro mit einem 500-Euro-Schein bezahlen. So viel Wechselgeld hatte ich überhaupt nicht dabei. Es folgten dann ein 200-Euro-Schein, einer Hunderter und irgendwann ein Fünf-Euro- Schein. Dann war’s gut. BUSFAHRERIN DANA WITT „EIN AUTO FÄHRT SICH SCHWIERIGER“ ALS DIE BUSSE IN COBURG DAS FAHREN LERNTEN 1930 1939 1940 Im Zweiten Weltkrieg ab 1944 1945 Juni 1945 1946 1947 1948 Die Firma Posthalterei Münch und der Weimarer Unternehmer Dittmar ver­ suchen, einen Omnibus-Linienverkehr in Coburg zu etablieren. Nach wenigen Monaten wird der Verkehr wieder eingestellt – mangels Interesse. Mit einem Bus beginnt der Linienverkehr in Coburg. Die Stadt zahlt dem Bus­ unternehmer Röhrig 500 Mark Zuschuss im Monat. Im Oktober 1939, dem ers- ten Betriebsmonat, werden 9.500 Fahrscheine verkauft, im November sind es bereits 11.766. Zusätzlich kaufen die Coburger noch 88 „Dutzendkarten“. Die Einzelfahrt kostet damals 10 Pfennige, die 12er-Karte eine Mark. Der Verkehr wird ausgeweitet. Am 1. Februar wird ein neuer Omnibus in Betrieb genommen. Die Führung der Kraftwagen erfolgt jetzt durch das Personal der Städtischen Werke. „Der Omnibus wird mit Rohöl betrieben und soll verwendet werden zur Durchführung der Stadtfahrten, zu gelegentlicher Beförderung der Mitglieder des Landestheaters zur Bespielung auswärtiger Städte“, so der da- malige Stadtkämmerer Vollmuth. Die Sachbearbeitung des Linienverkehrs geht am 1. April 1940 an die SÜC über. Strecken: Markt–Neuses, Markt–Ketschendorf, Markt–Hindenburgkaserne und Markt–Cortendorf. Die Taktzeiten betragen zwischen einer und mehreren Stunden. Wegen der Brennstoffknappheit wird ein Büssing-Bus auf Holzvergaser-Betrieb umgestellt; der Linienbetrieb kann nur mühevoll aufrecht erhalten werden. Die beiden vorhandenen Stadtbusse werden im Werksverkehr zur Möbelfabrik Albrecht in Weitramsdorf eingesetzt. Dort werden Lastensegler gebaut. Ein Bus wird bis zum Kriegsende nach Karlsruhe abgestellt. Die beiden Linienbusse ersetzen den Bahnverkehr nach Lichtenfels, da die Bahnbrücke bei Schney gesprengt ist. Die US-Armee beschlagnahmt einen Omnibus für ihren eigenen Stadtverkehr. Eine elektrische O-Buslinie soll in Coburg aufgebaut werden. Das Projekt ist zwar genehmigt, aber es fehlt Material. Die Firma Altmann in der Wiesenstraße setzt drei alte Omnibusse, die in der Hindenburgkaserne vor sich hinrosten, wieder instand. Dazu bedarf es einer neuen Bestuhlung, denn die Holzsitze waren während des Krieges als Brenn- holz verschürt worden. Die Städtischen Werke übernehmen den Busbetrieb komplett. 8 AUSGABE 08 | 06.2019 START MIT HINDERNISSEN IMMER AUF ACHSE

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