Pluspolausgabe10_2020
ISAT – Institut für Sensor- und Aktortechnik Hochschule für angewandte Wissenschaften Coburg Das Institut für Sensor- und Aktortechnik ISAT forscht und entwickelt Anwendungen auf dem Gebiet der mi- kroakustischen Aktorik und Sensorik. Es versteht sich als Impulsgeber für Unternehmen. Neben größeren Forschungs- und Entwicklungsprojekten unterstützt das ISAT Unternehmen bei kleineren Forschungsauf- gaben mit einem überschaubaren zeitlichen und fi- nanziellen Rahmen. Das ISAT verfügt über Kompetenzen zur Entwick- lung mikrofluidischer Komponenten zum Dosieren, Mischen und Messen von Flüssigkeiten auf kleinstem Raum. Diese Lab-on-a-Chip-Einheiten können für die kontinuierliche und automatisierte Messung z. B. von mikrobiologischen Verunreinigungen in Wasser oder im Rahmen der medizinischen Diagnostik als patien- tennahe Diagnoseverfahren eingesetzt werden. „Trinkwasser muss so beschaffen sein, dass durch seinen Genuss oder Gebrauch eine Schädigung der mensch- lichen Gesundheit insbesondere durch Krankheitser- reger nicht zu besorgen ist.“ So steht es in Paragraf 4 der Trinkwasserverordnung. Weiter regelt das Gesetz, auf welche Stoffe beziehungsweise in welchem Umfang das Wasser untersucht werden muss. Der Mikrobiologie kommt dabei eine wichtige Bedeutung zu, denn es dür- fen keinesfalls Krankheitserreger mit dem Trinkwasser verbreitet werden. Wichtige Indikatoren für die Reinheit des Wassers sind Coliforme und Kolibakterien. Sie dürfen selbst in klei- nen Konzentrationen nicht im Trinkwasser vorkommen. Werden sie nachgewiesen, herrscht Alarmstufe „rot“ bei den Wasserversorgern. Dann wird gespült, gechlort und eventuell muss das Wasser vor dem Trinken abgekocht werden. Die Analyseverfahren dazu, welche die Trinkwasserver- ordnung vorsieht, funktionieren im Prinzip so, wie sich das der berühmte Robert Koch schon vor über 130 Jahren für andere Mikroorganismen ausgedacht hat: Eine Probe wird mit einem Nährboden bei einer wachstumsfördernden Temperatur zusammengebracht. War die Probe belastet, konnten sich die Keime vermehren und sind nach einiger Zeit als Kolonien zu erkennen – ähnlich, wie Schimmelkul- turen auf der Sahne, die im Kühlschrank vergessen wurde. „An dem Verfahren ist an sich nichts auszusetzen und wir haben auch kein Problem mit Bakterien im Wasser. Aber: Eine permanente Überwachung – idealerweise in Echtzeit – würde uns noch mehr Sicherheit geben“, so Wassermeister Jürgen Kalb. Bislang ziehen er und seine Kollegen mehrmals pro Wo- che Proben aus der Trinkwasserleitung und schicken sie ins Labor zur mikrobiologischen Untersuchung. Nach zwei Tagen liegt das Ergebnis vor – in der Regel ohne Nachweis. „Im Wasserwerk selbst haben wir noch nie Coliforme oder Kolibakterien gefunden“, erklärt der Wassermeister und klopft auf Holz. Einen Schritt hin zu einer schnelleren aber nicht weniger zu- verlässigen Wasseranalyse nach Keimen und Bakterien ist Beate Raab gegangen. Die junge Frau aus Kronach studiert im achten Semester Bioanalytik an der Hochschule Coburg und könnte mit ihrer Bachelorarbeit die Häufigkeit der Un- tersuchungen aber auch die Zeit zwischen Probeentnahme und dem Ergebnis der Laboranalyse verkürzen. Im Sommer stellte die 24-Jährige ihre Arbeit im Wasserwerk der SÜC vor. Hinter dem Titel „Entwicklung und Evaluierung einer mi- krofluidischen Einheit zur Trinkwasseranalyse“ verbirgt sich ein spezieller Mikrofluidikchip. Das ist eine Kunststoffplatte mit 16 Kanälen. Wasser strömt hindurch, in einem Filter blei- ben Mikroorganismen zurück. Nach der Zugabe verschie- dener Reagenzien und dem Bebrüten bei einer Temperatur „GRÜN“ ZEIGT BAKTERIEN AN von 37 Grad Celsius über 24 Stunden hinweg zeigt sich durch die Einfärbung, ob Keime vorhanden sind und sich vermehrt haben. Gibt es keine Färbung, ist das Wasser nicht mit den gesuchten Bakterien verunreinigt. „Grün“ bedeutet, es sind Kolibakterien vorhanden. „Ein Nachweis wäre auch nach 15 Stunden möglich“, so Beate Raab. Nach den Worten von Prof. Dr. Matthias Noll vom Institut für Bioanalytik der Hochschule Coburg lässt sich das Verfahren auch problem- los automatisieren. Außerdem könnte der Chip noch größer angefertigt werden. Damit wäre eine intensivere Überwa- chung möglich, indem zum Beispiel mehrmals täglich Pro- ben genommen würden. Für die SÜC als Wasserversorger ist die Arbeit von Beate Raab ein „spannendes und relevantes Thema“, so Gas/Was- ser-Hauptabteilungsleiter Jürgen Zimmerlein bei der Vor- stellung. „Uns ist daran gelegen, die Forschung hier voran- zubringen und wir unterstützen das Projekt auch finanziell.“ Die elektrische Leitfähigkeit des Coburger Trinkwassers wird im Wasserwerk der SÜC im Stadtteil Cortendorf schon automatisch und ständig überprüft. Andere Mess- geräte überwachen rund um die Uhr die Trübung, den pH- Wert sowie den Nitratwert. Vielleicht auch bald Bakterien. Mit dem Mikrofluidikchip und den Erkenntnissen aus der Bachelorarbeit hat man ein bezahlbares Verfahren dafür in Aussicht. Ein Analysegerätehersteller hat Interesse an ei- ner Zusammenarbeit und Weiterentwicklung gemeinsam mit der SÜC und dem ISAT. Im Coburger Osten stehen in den nächsten Jahren ei- nige umfangreiche Bauarbeiten bei der Trinkwasser- versorgung an. Der erste Schritt dazu war eine neue Pumpstation in Rögen, die nach sechs Monaten Bauzeit Anfang des Jahres in Betrieb ging. „Mit der Anlage ver- bessern wir die Versorgungssicherheit bei Trink- und Löschwasser in Löbelstein, Lützelbuch und Rögen so- wie im Bereich von Pilgramsroth“, so der für den Bau und Betrieb von Gas- und Wasserleitungen zuständige Diplom-Ingenieur Markus Fleischmann. Die drei Rohrmantelpumpen können 72.000 Liter Was- ser pro Stunde transportieren und erhöhen den Druck um etwa 2,5 bar. Für die neue Pumpstation hat die SÜC knapp 200.000 Euro ausgegeben. MEHR DRUCK IM COBURGER OSTEN Beate Raab studiert an der Hochschule Coburg Bioanalytik. Sie hat einen Mikrofluidikchip entwickelt, in dessen Kanälen eine chemische Reaktion innerhalb weniger Stunden zeigt, ob das Wasser mit Bakterien verunreinigt ist. Bislang dauert es zwei Tage, bis das Ergebnis einer Wasseranalyse vorliegt. 6 7 AUSGABE 09 | 11.2019 WASSERGÜTE IM BLICK WASSERGÜTE IM BLICK
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